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Arzt in Pension

Die Pensionierung ist eine Schwelle zum letzten Lebensabschnitt. Verschiedene Firmen bieten ihren Angestellten vor der Pension eine Orientierung oder Begleitung für diesen Schritt an. Anscheinend hat dieser Abschnitt im Leben für Viele eine besondere Bedeutung und die Veränderungen können auch belastend sein.

Als Arzt kann das Ende der beruflichen Tätigkeit oft selbst bestimmt und gestaltet werden. Unterscheidet sich dieser Abschnitt beim Arzt? Jeder erlebt diesen Übergang auf seine Weise und ich kann nicht für andere sprechen. Einige Besonderheiten bestehen aus meiner Sicht jedoch gegenüber anderen Berufen.

Wir haben während des Studiums und später bei der Tätigkeit als Arzt viel von natürlichen Abläufen mitbekommen, haben die Grenzen der Machbarkeit erlebt, aber auch die enormen Fortschritte der Medizin erfahren. Wir waren Teil des Systems und uns wurde oft eine Anerkennung zuteil, die wir gerne angenommen haben. Mit der Pensionierung begeben wir uns wieder in eine Zeit ohne Verantwortung, ohne grosse Verpflichtungen und den letzten Lebensabschnitt teilen wir wieder mit den Vielen die sich neu orientieren müssen. Die tägliche Wertschätzung fällt unmittelbar weg. Man erlebt ein Nachlassen der Kraft, der Ausdauer, der Leistungsfähigkeit, was je nach Gesundheitszustand tolerabel, aber auch zermürbend sein kann. Haben wir dank unserem Beruf einen Vorteil, diese Zeit besser zu bewältigen als die Anderen? Wir haben mehr als andere Berufe mit dem Tod zu tun gehabt und oft erlebt, wie aussichtslos die Hoffnungen sein können, angesichts des nahenden Todes. Aber ich persönlich erinnere mich auch an Sterbephasen, die für mich und die Angehörigen als intensive, wertvolle Zeit geblieben sind. Durch den Tod als ständigen Begleiter in unserem Beruf hätten wir die Möglichkeit, uns besser darauf vorzubereiten. Die medizinischen Leistungen sind auch für uns eine Hoffnung, die uns aber die Augen verschliessen kann vor den Tatsachen, dass wir unweigerlich gegen das Ende des Lebens voranschreiten. Oft wurden wir von Patienten als „Gesundheitsmechaniker“ angesehen, die alles im Griff haben müssen. Die Realität sah schon damals anders aus und hat sich nicht geändert. Wir können höchstens etwas realistischer die Zukunft abschätzen und hoffen, dass nicht eine Demenz, degenerative Veränderungen oder sonstige Belastungen uns den Rest des Lebens erschweren. In dieser Phase teilen wir unausweichlich das Schicksal mit der Gemeinschaft. Es ist aber auch entlastend, am Alltag der Älterwerdenden teilzunehmen, ohne eine besondere Rolle zu spielen. Und schliesslich ist die Weisheit: «Das letzte Hemd hat keine Taschen» ein Hinweis auf die ausgleichende Wirkung des Todes, der auch vor vergangenem Ruhm keine Hemmungen hat.

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