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Kostensteigerung im Gesundheitswesen

Aktualisiert: 27. Nov. 2020

Es wird viel über die vermehrten Kosten im Gesundheitswesen diskutiert. Es kommt mir vor wie beim Schwarzpeter- Spiel. Hat man den Schwarzen Peter einmal gezogen, dann versucht man, diesen beim nächsten Zug wieder los zu werden,denn wer ihn zuletzt immer noch in der Hand hat, hat verloren. Es braucht dabei das Glück im Spiel. So wird heute die Schuld an der Kostensteigerung zwischen den Krankenkassen, Ärzten, Spitälern und Patienten wie bei diesem Spiel hin und her geschoben.

Da ich als grösstenteils pensionierter Arzt zurückblicken kann, so möchte ich die Situation, wie ich sie erlebt habe, am Beispiel der koronaren Herzkrankheit (d.h. der Krankheit der Herzgefässe ) schildern.

Vor 35 Jahren, als ich meine Praxis eröffnete, habe ich oft erlebt, wie die Leute entweder mit einem Herzinfarkt noch in die Praxis marschiert sind oder angerufen haben mit den typischen Herzinfarktsymptomen und auf meinen Rat dann mit der Ambulanz abgeholt wurden oder ohne meine Kenntnis mit privatem Transport ins Spital gebracht wurden, wenn sie nicht sogar selbst gefahren sind. Dort wurden sie dann nach der Diagnose auf der Intensivstation überwacht, meist während etwa drei Tagen, denn in dieser Zeit kam es üblicherweise zu den teils tödlichen Herzrhythmusstörungen. Hatte jemand diese Zeit überstanden, so liess man die unterdurchblutete Stelle am Herzen vernarben und hoffte auf die Zukunft. Wir wussten, dass etwa die Hälfte dieser Betroffenen nach 5 Jahren nicht mehr am Leben sein wird, so beschränkt waren die therapeutischen Mittel. Etwas besser erging es den Patientinnen und Patienten mit der chronischen Angina pectoris, also jenen, deren Durchblutung des Herzmuskels eingeschränkt ist, jedoch noch kein Herzinfarkt aufgetreten ist. Auch ihnen konnte medikamentös oft nur ungenügend geholfen werden.

Mit dem Aufkommen der Herzkatheter und mit der Aufweitung der Gefässe durch die Ballone und später durch die Stent-Einlage, eine innere Schienung der Gefäße, damit sich diese nicht wieder verschliessen kam es schlagartig zu besseren Aussichten. Die bessere chirurgische Versorgung mit Bypass- Operationen war gleichzeitig als Alternative möglich. So überleben heute die meisten Herzpatienten Jahrzehnte nach ihrem ersten Herzinfarkt. Selten kommt es zu einem zweiten Ereignis, denn die Rehabilitation, die medikamentöse Prophylaxe, die möglichen Kontrollen mit Ultraschall, Szintigraphie, Computertomogramm und eventuell erneuter Darstellung der Gefässe mit Stenteinlage bewirkt, dass frühzeitig eingegriffen werden kann. Die schlechten Zukunftsaussichten haben sich völlig gewandelt. Heute ist der Herzpatient, sofern er dies zulässt und mitmacht, in einem sicheren medizinischen Netz eingebunden.

Parallel dazu hat sich das Bewusstsein bezüglich Risikofaktoren gesteigert und Gefährdete werden früh erfasst. Ernährung, Bewegung, Gewichtskontrolle, Kontrolle der Risikofaktoren gehören dazu und deren Korrektur löst oft auch entsprechende Kosten aus.

Wem soll jetzt die Schuld zugeschoben werden? Dem Patienten, der sich kontrollieren lässt, vielleicht prophylaktisch über Jahre Medikamente einnimmt, bei sich eine Herzuntersuchung veranlassen möchte oder leider eine dieser teuren Therapien in Anspruch nehmen musste, weil es bereits Ernst gegolten hat? Oder den Spezialisten und Spitälern, die diese Untersuchungen und Therapien anbieten und davon leben? Oder den Krankenkassen, die mit ihren hohen Prämien bewirken, dass jede noch so teure Therapie vom Prämienzahler als schon bezahlt empfunden wird?

Tatsache ist, dass sich dank der modernen Medizin bei dieser Krankheit eine wesentlich bessere Prognose eingestellt hat, was aber nur dank wesentlich teureren Eingriffen und Therapien möglich geworden ist. Zahlen wir diesen Preis oder schieben wir weiter den Schwarzen Peter im Kreis?

Max Handschin

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