Der Arztbesuch
Aktualisiert: 23. Nov. 2020
Die Hausärztin oder der Hausarzt ist in unserer Region immer noch meist die erste Instanz, wenn jemand krank ist, sich unwohl fühlt oder einen Unfall erleidet. Unter dem Einfluss der Kommunikationsmedien wissen wir immer mehr über Krankheiten und Behandlungsmethoden und die Gesundheit ist zu einem veritablen Industriezweig geworden. Am Fernsehen werden medizinische Serien gezeigt, in Zeitschriften Gesundheitstips gegeben, in den Familien und bei Bekannten oft über die Gesundheit geredet. Hygienemassnahmen und Ernährungsempfehlungen sind allgegenwärtig. Im Internet werden Informationen gesammelt, sei es zu Diagnosen, die man soeben erfahren hat oder die man selbst zu stellen versucht hat. Oft führt diese Vorinformation aber zu einer zusätzlichen Verunsicherung und schürt Ängste.
Für die Ärztin oder den Arzt ist es bereits eine Herausforderung, herauszufinden, was der Patient eigentlich will: Eine Diagnose, eine Bestätigung seiner eigenen Vermutungsdiagnose, eine Beruhigung bezüglich seiner Angst vor dem vermuteten Leiden.
Vielleicht möchte er eine Zweitmeinung oder er hat sich in einem Chat-Room bereits mit andern ausgetauscht oder Leute mit denselben Sorgen konsultiert.
Hat man einmal herausgefunden, was die eigentliche Sorge ist, dann wird es einfacher für die Beratung und die Behandlung. In diesem Fall ist man der ideale Partner, denn man kennt oft die Vorgeschichte, die Familienkonstellation, die Hintergrundgeschehnisse, zur Zeit zirkulierende Krankheiten oder ähnliche Situationen aus früherer Zeit. Es gilt dann, die gefährlichen und bedrohlichen Zeichen zu finden, die eine baldige oder sofortige Behandlung notwendig machen oder eine weitere Abklärung fordern. Dazu dient das breite Wissen des Hausarztes hervorragend, denn im Zweifelsfall hat jeder im Hintergrund eigene Quellen, die man ausnützen kann: Er kann sich - zusätzlich zu seinem eigenen Wissen- im Internet bei verlässlichen Quellen informieren, kann seine Spezialisten und Kolleginnen oder Kollegen anfragen oder den Patienten weiterweisen. Jeder verfügt über ein sehr differenziertes Netzwerk an Fachpersonen, die ihn unterstützen. Dies ist ein feinstrukturiertes „persönliches Managed Care - System“ wie ich es nenne. Es ist deutlich flexibler als die institutionalisierten Systeme, welche oft starr zusammengestellt und schwierig wandelbar sind. Das persönliche System kann jederzeit ausgebaut oder verändert werden, ohne dass es ökonomische Folgen hat, weder für den Arzt noch für den Patienten. Auch wir machen zwischendurch schlechte Erfahrungen und können Korrekturen an unserem Beziehungsnetz vornehmen. Der grösste Teil der Probleme kann auf diese Weise gelöst werden und wenn einmal in der ganzen Behandlungskette etwas schief läuft, dann kann man dies auch mit einem Menschen besprechen, der einem vertraut ist, der beteiligt ist, der abschätzen kann, was falsch gelaufen ist und der sich für die Interessen des Patienten einsetzt.